Ich las gerade, in einer ruhigen Stunde das Buch
"Ich bin schwerhörig - und das ist auch gut so!" Obwohl dieses Buch ein sehr positives Buch ist und ich mich an vielen Stellen wiedererkenne, hat die Lektüre nicht das bewirkt, was ich erhofft hatte.
Nicht dieses Gefühl:
Du schaffst das schon, alles ist halb so schlimm! geschaffen, sondern mich eher mit einer dumpfen Wut nahe den Tränen hier sitzen lassen.
Ich will das nicht!
Ich habe mich eingerichtet in meiner 40% Welt und - so scheint es - ich komme doch wunderbar klar. Wer braucht schon 100%?
Mich lähmt der Gedanke an diesen langen, mühsamen Weg, da der jetzt vor mir liegt.
Ich will nicht nachdenken müssen über Hörkurven und ständig zu einem Akustiker rennen müssen.
Ich will keine Hörgeräte, deren Batterien in den unmöglichsten Momenten leer sind, die pfeifen oder ein sonstiges Eigenleben führen.
Ich mag mich nicht entscheiden müssen, welche Töne ich wie und womit besser höre und welche unterdrückt werden sollten.
Ich möchte keine Schläuche im Ohr haben und auch nix hinter meinen Ohren.
Mein Leben ist auch so ausgefüllt genug, ich brauche nicht noch Ohren, die einer Sonderbehandlung bedürfen.
Ich werde meine Mitmenschen nerven mit diesem neuen Equipment und ich bin so voller Zweifel. ob der Aufwand lohnt und so voller Wut, weil ich all das nicht brauchen kann in meinem kleinen Leben.
Und auch so voller Traurigkeit, weil wieder einmal etwas in/an/mit meinem Körper nicht so funktioniert, wie ich es gerne hätte.
Vielleicht auch voller Angst ob der Gleichsetzung von Schwerhörigkeit mit Dummheit.
Und höchstwahrscheinlich voller Undankbarkeit gegenüber der Technik, die mein Leben ja eigentlich schon ganz bald wieder bereichern soll.
Was kann da gesagt werden? Was könnte dir helfen? Mir fällt nur ein: Ich verstehe dich.
Meine "Baustelle" ist an anderer Stelle aber ich kenne das Gefühl, dass doch bitte alles so gehen soll wie vorgesehen. Bei "den anderen" geht das doch auch.
Ich bin fast sicher, dass die Ohren es nicht schaffen werden, dauerhaft eine der wichtigsten Rollen in deinem Leben zu spielen. Aber für den Moment ist das sicher so. Und das reicht schon für Trauer und Wut und Angst vor dem Ungewissen.
vom 24.01.2013, 16.30