Ausgewählter Beitrag
bevor ich Mutter wurde
Bevor ich Mutter wurde, war ich eine gedankliche Supermutter. Selbstverständlich wusste ich ganz genau, was es bei mir alles geben und ganz sicher nicht geben würde. Ich hatte meine Vorsätze und predigte diese auch gernen anderen Müttern, Großmüttern und sonstigen Menschen vor.
Ich war - sozusagen - einfach perfekt.
Perfekt zumindest in dem, was ich damals glaubte. Manchmal sind Realität und Wunschdenken ja nicht ganz so kompatibel......
Natürlich gehörte ich zu jenen vormütterlichen Wesen, die es ihren Kindern niemals erlauben würde, sie zu tyrannisieren.
So der gute Vorsatz.
Nun stehe ich da. Nein, nicht im wörtlichen Sinne, denn eigentlich liege ich stets, wenn unsere Jüngste zu jenem kleinen Tyrannen mutiert, den etliche Erziehungsratgeber mit treffenden Worten beschreiben und deren ebenso nutzlos wie unpraktikable Erziehungsvorschläge uns nicht weiterhelfen.
Tapps, tapps, tapps..........hört man flüchtig die Schritte, die des Nachts zur Toilette eilen. Mit einem lauten Knall wird der Toilettendeckel gegen die Fliesenwand geschmettert. Während man dort sitzt und sein mal mehr oder weniges kleines Geschäftchen verrichtet kann man ruhig mal lauthals das Pippi Langstrumpf Lied schmettern, in der Gewissheit, nun bereits die halbe Familie geweckt zu haben.
ROOMMMMMMS, schmettert der Toilettendeckel herunter und tapps, tapps, tapps ....... hört man flüchtig die Schritte, die nun zu Mutters Bett eilen. Sofort trompetet eine schrille Kinderstimme in mein Ohr:
"Mama, bist du wach?"
Ich versuche es stets aufs Neue mit dem nein-ich-schlaf-ganz-fest-Trick, was unsere Tochter nicht davon abhält ihr allnächtliches:
"Mama-mach-die-Äuglein-auf!" -Lied zu singen und dabei unsanft meine Augenlider in die Höhe zu zupfen.
Bevor ich Mutter wurde war ich mir sehr sicher, dass MEINE Kinder niemals mitten in der Nacht solche irren Wagnisse eingehen würde.
Seit ich Mutter bin rätsle ich über logische Konsequenzen .......
Selbstverständlich hat man jede Nacht aufs Neue die Wahl.
Ignorieren - das bedeutet hysterischer Tobsuchtsanfall von mindestens einer Stunde
oder aber zurück ins Bett bringen, zudecken, weiterschlafen.
Nun, natürlich wäre es pädagogisch wertvoll, wenn wir unseren Tyrannen schreien ließen. Ich hätte auch kein Problem damit, nur mit dem Schallschutz hapert es ein wenig in unserer Wohnung.
Natürlich haben wir das ausprobiert. Acht Tage, nein Nächte lang. Anschließend war ich reif für eine bekannte Anstalt, darum neige ich nun dazu, aufzustehen, das Kind zu schnappen, ins Bett zu verfrachten, weiter zu schlafen.
Damit hat das Kind seinen Willen und ich meine Ruhe.
Zumindest bis sich das Drama drei Stunden später wiederholt.
"Hau ihr auf'n Hintern!" ist der stets wiederkehrende weise Vorschlag einiger Familienangehöriger.
Das stelle ich mir sehr effektiv vor.
Das sowieso nölende Kind schreit dann noch hysterischer und so wie ich meine Tochter einschätze reicht die Kondition auch locker für zwei Stunden.
Erziehung ist - so weiß ich heute - stets das kleinere Übel zu wählen.
Mitten in der Nacht, das weiß ich ebenfalls, wird aus der Supermutti eine Art blutrünstiger Werwolf mit einer Aversion gegen pädagogisch Wertvolles.
Alles, was dann noch zählt ist der Schlaf.
Was bleibt ist die Hoffnung.
Immerhin weiß ich heute schon sehr genau, was meine irgendwann Pubertierenden ganz sicher alles nicht dürfen.
Auch als Mutter bleibt man Vormutter.
Und alles in allem ist das nun wirklich das kleinere Übel.
Was hab ich in den letzten Jahren an Grundsätzen aufgegeben, weil die Realität einfach anders aussah!!! Ich verstehe vollkommen, was Du meinst.
Dafür kriegen wir Pädagogen wohl unsere Kinder - um geerdet und desillusioniert zu werden. Jetzt müßte man nur noch das restliche Volk der kinderlosen Besserwisser, Supermamas, Politiker etc. dazu kriegen, wieder auf den Teppich zu kommen.
vom 29.04.2006, 12.04