Es ist mitten in der Nacht.
Eine dieser Nächte, in denen meine Gedanken an die Tür klopfen,
weil ihnen der Platz fehlt und sie überquellen.
Durch das geöffnete Fenster rauscht die Nacht tiefschwarz herein.
Nicht in diesem morbiden Schwarz, sondern umborgend und wohltuend.
Es ist still,
Die synästhetischen Klänge schweigen, doch es riecht nach baldigem Morgentau.
Mein Gedankengestrubbel fordert Fürsorge und Zuwendung ein und in der
wohltuenden Stille und Dunkelheit wende ich mich ihnen zu.
Voll und ganz.
In meinem Kopf sieht es aus wie in einem Teenagerzimmer.
Überall verstreut liegt einfach alles herum, alles.
Man kennt diese besagten Zimmer, in denen die Dreckwäsche neben dem angebissen Brötchen aus der Früh,
die Schulsachen zwischen Liebesbriefen und Konzertkarten, die Socken unter Leergut vergraben vor sich hin
dümpeln.
Natürlich hängt aus meinen Kopf kein ungewaschener Slip heraus, aber so ungefähr fühlt es sich an.
Schuljahresbeginn und ich habe das Gefühl, die Zeit rinnt davon, es gibt so viel, an das ich denken möchte, denken sollte
und denken muss.
Die Nacht hilft mir, aufzuräumen, Schubladen zu öffnen, nachzudenken und Prioritäten zu setzen.
In der Nacht denke ich schreibend, die Wörter reihen sich mühelos aneinander und ergeben perfekte Texte, denen ich nach dem
Aufstehen nachtrauere und von denen ich nicht weiß, wo sie in mir geblieben sind.
Ich gehe zunächst die Räume meiner anstehenden Handlungen der nächsten Tage durch und bilde eine gedankliche Reihenfolge:
Da ist das Lehrerzimmer, das Schulleitungsbüro, das Sekretariat - das für eine neue Sekretärin vorbereitet werden muss - die Aula, mein Klassenraum.
In mir flattert eine von diesem Minipaniken auf, dieses Gefühl, nicht alles schaffen zu können, zu wenig Zeit und zu viele Ideen zu haben und meine
Gedanken werden für einen Augenblick abgelenkt.
Ich verweile im Klassenraum, in dem derzeit noch Chaos herrscht.
Aber in dieser satten nächtlichen Dunkelheit geborgen, vergeht dieser Moment wieder ganz schnell.
Das, was der Tag nicht vermag, das beherrscht die Nacht perfekt.
Sie ist ruhig und klar, sie fokussiert und schafft einen beschaulichen Rahmen.
Ich bin wieder bei mir, in mir, in meinem Kopf, bei meinen Gedanken.
Ich gehe die terminlichen Planungen durch, die Zeitaspekte und dann ertönt sie, diese Stimme aus dem OFF.
(Ich nehme an, jeder kennt sie diese eine Stimme, die sich gern mal ungefragt einmischt!)
Diese Stimme aus dem OFF, meine Stimme aus dem OFF, hat immer einen leicht vulgären und provokanten Unterton.
"Ist klar, dass du bei all dem Drama ja auch noch einen Friseutermin morgen hast! Wie wichtig!"
Ich bin froh ob dieser Erinnerung und ignoriere die Stimme, die aber weiter stichelt:
"Als ob es das bringen würde!"
Kurzzeitig bin ich geneigt, einen kleinen Disput einzugehen, wende mich aber lieber wieder den schulischen Baustellen zu.
Wie in diesem erwähnten Teenagerzimmer werde ich meiner nächtlichen Gedanken nur Herr, wenn ich Gedanken für Gedanken aufhebe, betrachte und
wegsortiere.
Ich mag mein nächtliches Gedankengestrubbel und ich mag die Nacht. Mir fallen ganz viele wichtige Dinge ein - und auch weniger wichtige - und ich bringe
sie für mich und in mir in eine sinnvolle Reihenfolge und Ordung.
Struktur.
Nach den Räumen und den Zeiten widme ich mich den Menschen und zwischen all den drei Punkten gibt es natürlich zahlreiche Überschneidungen, so wie früher in der ersten Klasse, als ich mich faszinierender Mengenlehre beschäftigen durfte.
Schnittmengen - so hießen sie und heißen sie wahrscheinlich noch immer - ich bin bei den Kolleginnen und Kollegen, den Schülerinnen und Schülern, den Eltern und letztlich - weil es so sein muss - bei den Obrigkeiten.
Nächtliche schwache Geräusche klingen leise aus der Nacht zu mir herein und ich komme bei meinen Hilfsprojekten für die vom Hochwasser betroffenen Schulen ein,
der Kreis schließt sich langsam und geht über in die privaten Räume, die persönlichen Zeiten und zu den mir nahestehenden Menschen.
Ich halte abschließend noch schnell eine flammende Rede an die jungen Menschen, die gerade die Kinder in unseren Feriencamps betreuuen und bitte sie darum, die Kinder nicht einfach nur Dinge abarbeiten zu lassen, sondern die Kinder vor allem mit Freude und Glück vertraut zu machen, ihnen zuzuhören, mit ihnen zu sprechen und ihnen die Motivation am Lernen mitzugeben.
Natürlich klingt meine Rede des Nachts in meinem Kopf deutlich mitreißender, schwungvoller und überzeugender, aber die Müdigkeit setzt sich durch und nachdem
mein Chaos im Kopf sich nun ein wenig gelichtet hat, ein wenig Ordnung hineingekommen ist, gleite ich wieder hinüber in den Schlaf. Tief und fest.
Von der Nacht umgeben.
Ich mag diese Nächte und ich mag das Aufwachen zu früher Stunde in der Gewissheit, den neuen Tag schwungvoll und strukturiert angehen zu können.
Die Nacht ist meine Freundin, irgendwie.
Und nun beginne ich den Tag!
Es wird ein guter!
zwar sehe ich, dass ich es schon im Sept.21 kommentiert hatte musste es aber nochmals aufschlagen um zu sehen ob darauf noch etwas an Kommentaren dazu kam..
ist es nicht - schade und leider..
für heute;.. bin zwar weder Lehrer/in noch Lehrende doch dieser phantastisch flüssige Gedankenaustausch mit deinen Lesern war und ist mir so vertraut als hätte ich ihn selbst geschrieben zumindest aber durchlebt,
d u r c h d a c h t...und
d u r c h g e m a c h t.
Es könnte auch der Anfang eines Romans sein...ich wette , der Leser würde liebend gerne dranbleiben und 500 Seiten davon lesen.
Ganz in sich träumend versunken versucht der Kopf Dampf abzulassen, zu sortieren, zu organisieren, zum kompletten System umzuformen, zu ordnen und in geordnete Reihen wieder abzulegen. dabei streitet sich sogar vielleicht die re mit der li Gehirnhälfte . Man weiß ja nie richtig was des Nacht mit seinem Kopf geschieht weiß aber da drin ist viel los...es war hochinteressant zu lesen was in anderer Menschen Kopf so torpedomäßig abgeht...
ganz wunderbar geschrieben konnte ich all deinen nächtlichen Schritten gedanklich folgen...
dass darauf noch kein " Kollege/in oder Artverwandter geantwortet hat lässt wohl darauf schließen dass die anderen ihre Nächte schlafend verbringen.. und schlicht und einfach nicht lesen....
was machen deine Töchter mittlerweile?
liebe Grüße Angelface
vom 23.08.2024, 12.00